Gemeinsam Brücken bauen III
Interkulturelles Projekt "Brücken Bauen": Eigene Lebenskompetenz erkennen
„Ich liebe Dich!“ Das war der Satz, den die interkulturelle Projektgruppe des BSZAM schnell gefunden hatte, um zu beleuchten, was er im Innenleben des Menschen auslöst, der ihn hört oder ausspricht.
Bereits in der ersten Gesprächsrunde mit den Lehrern der Akademie Kinder philosophieren aus München hatten sie über die Frage „Wer bestimmt, wer ich bin?“ gemeinsam nachgedacht. Durch ihre Unterstützung hatten sie das Bild vom „Inneren Team“ an Gefühlen, Gedanken und Rollen, das in jedem wohnt, kennengelernt. Dieses innere Team entwickelte sich zum hilfreichen roten Faden durch sechs umfangreiche Projekttage. In Szene gesetzt hatten die Schüler ihre Eigenproduktion mit einer zweigeteilten Bühne, ein Teil zeigte das real Erlebte und der andere Teil zeigte mit Hilfe einer Schattenspielwand die Welt der Gedanken und Gefühle.
25 junge Menschen aus vielen verschiedenen Herkunftsländern und aus Klassen des gesamten Beruflichen Schulzentrums spielten ihr Stück „Brücken Bauen“, das sie mit Hilfe von Lehrern aus verschiedenen Disziplinen im Zeitraum vom 13. bis 25.07.2018 entwickelt hatten, morgens zweimal für die Schüler und Lehrer des Schulzentrums und am Abend für die Öffentlichkeit in der Turnhalle des BSZAM, jedesmal für ein volles Haus. Nähere Informationen zum Projekt erhalten Sie auch in einem Beitrag von OTV.
Kreative Traumwelt und gespielte Realität
Auch wenn die Lehrer aus völlig unterschiedlichen Bereichen kamen, ihr Ziel war das Gleiche: Der persönliche Ausdruck der Teilnehmer sollte gefördert und verfeinert werden, sodass am Ende eine Produktion aus Trommelklängen, Gesang, Tanz, Theater- und Schattentheater mit wenig Worten die Geschichte zweier Verliebter zeigte, die allerhand durchleben, als er den entscheidenden Satz ausspricht. Flugs wechselte das Bild von der sichtbaren zur unsichtbaren Welt, die gezeigten Gefühle reichten von Ablehnung und Aggression über Nachdenklichkeit und Zerrissenheit bis hin zum Bau von traumtänzerischen Luftschlössern, die alle im Nu auf der Schattenwand vorbeizogen, Traumfetzen gleich.
Begegnung auf Augenhöhe
Eine Projektgruppe, deren Schüler aus unterschiedlichsten Klassen kommen, gleicht anfangs einer freudig aufgeregten Gruppe von Erstklässlern. Diese Motivation zu erhalten und die Energie, die darin steckt zu nutzen, war anspruchsvolle Aufgabe für die externen Lehrkräfte wie für die LehrerInnen des BSZAM, Eva Scharl, Martin Grill und Kerstin Klug, der Initiatorin und Verantwortlichen auch dieses dritten interkulturellen Projektes am Schulzentrum.
Ganz entscheidend für die Arbeit mit der großen Gruppe in der begrenzten Zeit war eine stringente Führung auf der einen Seite, insbesondere in punkto Probendisziplin, Motivation und Achtsamkeit für scheinbar unwichtige Kleinigkeiten. Auf der anderen Seite war es stets ein großes Anliegen der Lehrer, auf Augenhöhe an der Lebenskompetenz und den Fähigkeiten der Schüler anzuknüpfen und sie bei allem Neuen zu unterstützen.
Führung und Freiheit
Manch Schüchterner fand sich so nach anfänglichem Zögern mitten auf der Bühne wieder, weil es seinem inneren Team einfach sonnenklar war, dass er das gerne wollte. Das gegenseitige Zuhören und Zuschauen half dabei, Talente zu entdecken, auch in den kurzen Probenpausen, wo plötzlich gesungen und getanzt wurde, ein Song geschrieben und ein Kunstwerk gemalt wurde. So verstanden sich die Lehrer im Team als Geburtshelfer, die Vorschläge für Weichenstellungen machten und Strukturierungshilfe gaben, wo nötig. Bei allem Abwägen und Tun galt es stets, die Umsetzbarkeit in der kurzen Zeit zu bedenken, das hieß, sich schnell und intuitiv zu entscheiden.
So hatten bei der Aufführung alle 25 Jugendlichen eine verantwortungsvolle Aufgabe; vom Ton über das Licht bis hin zu Trommeln, Tanz und Schauspiel war alles auf der Bühne in Schülerhand. Die Lehrer konnten sich nun das Geschaffene vom Zuschauerraum aus anschauen und sich freuen über den viel geübten Fokus auf das sichtbare und hörbare Geschehen. Dazu gehörte auch volle Konzentration hinter den Kulissen, damit die vielen kleinen Einsätze ohne Störgeräusche und im genau richtigen Moment kommen konnten. Dies ging einher mit der gegenseitigen Hilfestellung, ohne hörbare Worte Impulse zu geben, damit das Stück wie geplant laufen konnte.
Die Externen
Im Bereich Musik wurde die Gruppe von Perkussionist und Musikpädagoge Bernd Kremling aus Würzburg angeleitet, der innerhalb von kürzester Zeit mit großer Aufmerksamkeit und Genauigkeit zeigte, wie die Schüler als Team zusammenspielen können. Das gemeinsame Erreichen eines Flow im Trommelklang war dabei der Motor fürs Weitermachen. Das Untermalen der Schauspielbilder und reine Perkussionseinlagen gaben der Produktion einen besonderen Drive. Andreas Guckenberger, Regieassistent des Jugendtheaterclubs Amberg und theaterpädagogisch versierter Fachmann, übte mit großer Leidenschaft mit den Schülern, aus sich heraus zu gehen, am eigenen Leib große Gesten und Stimmwucht zu erleben. Genauso wichtig war ihm der Gegenpol: die kleinen, feinen, genauen Bewegungen auf der Bühne mit viel Wirkung zu zeigen. Nicht zuletzt waren zwei Teams der Akademie Kinder philosophieren aus München, in der ersten Runde Ute Mangold und Sinan von Stietecron und bei den zwei weiteren Gesprächen Irmgard Stöttner und Christian Schläger wesentlich am Entstehen und der Ausgestaltung des Bühnenstücks beteiligt. Am Anfang, in der Mitte und am letzten Tag des Projekts haben sie mit den Schülern wertvolle Arbeit geleistet in punkto Zielsuche und Orientierung. Über offene Fragen, die in der Runde mit großer Aufgeschlossenheit gemeinsam ergründet wurden, wie auch über Fragen rund um die Motivation konnten die Teilnehmer eine nicht nur mentale Weite und Ruhe erfahren, die ihnen wichtige Basis für das bewegte Tun war. So erkannten die Schüler in der zweiten philosophischen Runde: „Wenn wir uns alle anstrengen und jeder gibt das beste nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten und es wird dann nicht gut, sind wir nicht so enttäuscht, wie wenn einige es bei der Aufführung nicht ernst nehmen und sich nicht anstrengen würden." Der Einzelne und die Gruppe als bewegtes Gemeinsames wurden also in den Gesprächsrunden gestärkt.
Randbedingungen
Möglich war die Einladung externer Referenten durch finanzielle Unterstützung der Stadtwerkestiftung Amberg und des Bundesprogramms „Demokratie leben“, in dem die Stadt Amberg sich für gelebte Gemeinschaft engagiert. Insofern passte das Projekt genau, denn mehr Lebendigkeit und Beweglichkeit heißt weit mehr als persönliches Wohlbefinden, es bedeutet auch mehr Offenheit für Andere – und damit mehr Toleranz, mehr gelebten Frieden. Dankbar waren auch zwei Teilnehmer, weil ihr Ausbildungsbetrieb, die Firma Hermat in Hahnbach sowie ein Praktikumsbetrieb, die Krötenseeschule in Sulzbach-Rosenberg sie von der Arbeit beziehungsweise vom Praktikum freistellten. Außerdem steht und fällt ein Projekt dieser Größenordnung mit einer offenen und kooperativen Kollegenschaft und einer aufgeschlossenen Schulleitung, die mit Vertrauen ins Gelingen die Schubkraft und Kreativität der Projektteilnehmer unterstützt.
Projektziel
Die Förderung der individuellen Persönlichkeiten und ihrer inneren Entwicklung einerseits und die der Gruppe als gesamtes war Hauptziel des Projektes. Unterschiedlichste Schüler konnten für sich und als Gruppe ihre Lebendigkeit und Kreativität im eigenen Tun spüren lernen und da war es ganz selbstverständlich, diese auch anderen zuzugestehen. Wie auch in den Vorgängerprojekten war die Vielfalt der Muttersprachen hierbei ein untergeordnetes Thema, weil im gemeinsamen Ausdruck über die Hände beim Trommeln und über den Körper beim Schauspiel nicht viele Worte vonnöten waren. Das kreative Arbeiten in unterschiedlichen Teams lockert und ist dadurch nicht nur nebenbei auch gesund. Es macht die Teilnehmer offener und toleranter für neue Ausdrucksformen und Menschen. So kommen Gesundheits- und Demokratieerziehung über den gemeinsam erfahrenen künstlerischen Ausdruck im Tun zusammen - ein wertvoller Bildungsbaustein für die Gesellschaft.
Beobachtungen
Die Berührungsängste und Unsicherheiten des Einzelnen und der Gruppe wurden durch das gemeinsame Tun und das Sich-aufeinander-verlassen-können-müssen auf der Bühne schnell abgebaut. Manche/r hat das Projekt genutzt „um endlich mal was Neues zu probieren“, „die Chance zu nutzen“, „über eigene Ängste hinweg etwas zu wagen“, sei es zu singen oder zu tanzen oder zu spielen, so die Stimmen der Teilnehmer.
Kulinarische Vielfalt miteinander genießen
An jedem Projekttag brachten die Teilnehmer herkunftstypische selbst gekochte und gebackene Leckereien mit, die in den knapp bemessenen Mittagspausen gemeinsam und mit großem Appetit gegessen wurden.
„Es ist so traurig, dass es jetzt vorbei ist!“, so klangen die Teilnehmer am Schuljahresende – das spricht für sich nach so viel Hingabe, Konzentration und zielgerichtetem Tun. Alle Fotos sind von den Benedikt und Sebastian Bockisch.
Kerstin Klug